Interview mit Urs Meier (Schweiz)
Urs Meier ist einer der weltweit besten Schiedsrichter. Er war
bei den Weltmeisterschaften 1998 und 2002 (u.a. das Spiel Deutschland-Südkorea)
aktiv und hat 2002 das Champions-League-Finale in Glasgow (Real Madid - Bayer
Leverkusen) gepfiffen und er hat sogar seinen eigenen Fanclub.
Vielen Dank gilt ihm für dieses Exclusiv-Interview für www.jung-schiedsrichter.de!
www.jung-schiedsrichter.de: Warum sind Sie Schiedsrichter geworden?
Urs Meier: Da ich unbedingt einmal in einem grossen Stadion aktiv sein wollte
und dies
mit meinem fussballerischen Talent (3. Liga in der Schweiz) nicht erreichen
konnte, dachte ich mir, dass der Weg über das Schiedsrichteramt doch
etwas
wäre.
Wie lange haben Sie Jugendspiele gepfiffen, bevor Sie in den Seniorenbereich
gewechselt sind?
Ungefähr 2 Jahre
Wie lange haben Sie danach von den unteren Ligen bis auf die FIFA-Liste
gebraucht?
Nach 14 Jahren kam ich in die NLA (unsere höchste Liga)
Nach 17 Jahren kam ich auf die FIFA-Liste
Welche Ihrer Spiele sind Ihnen besonders positiv oder negativ in Erinnerung
geblieben?
1. USA-Iran an der WM 1998
2. Deutschland - Südkorea an der WM 2002
3. Champions-League-Final Bayer Leverkusen - Real Madrid 2002 in Glasgow
4. UEFA-Cup-Spiel Arsenal FC - Bor. Mönchen-Gladbach 1996
Negativ: Champions-League-Qualifikationsspiel Croatia Zagreb - Newcastle
United FC
Wie sieht der Zeitplan für Sie an einem gewöhnlichen Spieltag
aus?
Da wir in der Schweiz relativ kurze Anfahrtswege haben reise ich am Spieltag
meistens mit dem Auto zum Spielort, wo ich normalerweise vier Stunden vorher
eintreffe. Ich beziehe sofort mein Hotelzimmer und ruhe mich ein wenig aus.
Ca. eineinhalb Stunden vor Spielbeginn bin ich dann im Stadion, wo mein
eigener Masseur mich lockert und allenfalls noch ein Tape anbringt. 30 Minuten
vor Spielbeginn wärmen wir uns mit den Spielern auf dem Spielfeld auf.
Wie werden Sie in bei Ihren Spielen empfangen und versorgt?
Fast jeder NLA-Verein hat einen Schiedsrichterbetreuer, welcher einem
empfängt, für das Nötigste schaut. Nach dem Spiel werden wir
oft vom Verein zu
einem Essen eingeladen. D.h. der Schiedsrichterbetreuer und das Schiri-Team
essen gemeinsam etwas in einem Restaurant.
Wie gut wirken sich Ihre vielen Schiedsrichterreisen auf Ihren Beruf und
Ihr Familienleben aus?
Als selbständig erwerbender Kaufmann mit 15 Mitarbeitern kann ich es
mir
leisten ab und zu auf Reisen zu sein. Die Kundschaft toleriert dies. Bei der
Familie gab es leider einige Reibungspunkte, deshalb lebe ich zurzeit getrennt
von meiner Familie. Trotzdem ist es wichtig, dass die Kinder und die Familie
nicht zu kurz kommen.
Wie weit hatte Ihre Schiedsrichterkarriere Sie im Studium/Ausbildung behindert?
Ich versuchte immer alle drei Standbeine (Beruf/Familie/Schiedsrichterei)
unter einen Hut zu bringen. Dadurch gab es für mich auch keine Entschuldigung
für die Weiterbildung. Ich bin überzeugt, dass man seinen Horizont
immer
wieder vergrössern sollte
Könnten Sie von den Schiedsrichterspesen leben?
Nein
Für wie wichtig nehmen Sie Presseberichte und Stadiongesänge
für
und gegen ihre Leistung? Wie war dies am Anfang Ihrer
Schiedsrichterkarriere?
Heute habe ich eine sehr grosse Distanz zu der Presse und zu dem was in den
Stadien abgeht. Ich denke das gehört einfach dazu und wir Schiedsrichter
sind
für alle Beteiligten ein dankbares "Opfer". Dies natürlich
nur solange es sich
im Stadion abspielt. Wenn das Ganze in den privaten Bereich überschwappt
kann
ich es nicht mehr akzeptieren.
In der Anfangszeit hat man noch nicht so eine "dicke" Haut und Kritik
fährt
ganz schön ein. Ich glaube aber, dass dies auch zur Persönlichkeitsschulung
eines Schiedsrichters gehört. Es macht einen stark!
Was ist Ihre Meinung zum Profi-Schiedsrichter / zum Video-Beweis?
Ich bin seit Jahren eine grosser Verfechter des Profi-Schiedsrichter. Dadurch
würde der Stellenwert garantiert erhöht und die Akzeptanz vergrössert
werden.
Ich bin gegen einen Video-Beweis während des Spieles. Es würde das
Spiel total
verändern und es wäre eine Gefahr für das Fussballspiel im
Stadion. Wie
reagieren die Fans? Werden sie agressiv? Kommt es zu Ausschreitungen? Dagegen
befürworte ich einen Einzelrichter, welcher Spieler die eine Tätlichkeit
im
Rücken des Schiedsrichters begehen via Video-Beweis bestraft.
Worauf sollte ein junger Schiedsrichter bei seinen ersten Spielleitungen
achten?
Dass er sich ist und bleibt und nicht jemanden kopieren will!
Dass er sich mental auf Kritik einstellt.
Dass er das Regelwerk gut gelernt hat und in einer guten körperlichen
Verfassung ist
Dass er Ziele (Visionen) hat
Wie ist es dazu gekommen, dass Sie als einer der ersten
Schiedsrichter einen eigenen Fanclub haben und sind Sie stolz darauf?
Ich glaube, dass der Schiedsrichter im internationalen Geschäft ein
Teil des
Spektakels ist und er sich daher auch vermarkten soll. Ich denke der Fan-Club
trägt auch dazu bei das Schiedsrichteramt populärer zu machen. Ich
bin stolz,
dass es sehr viele Jugendliche gibt, welche mit Freuden in meinem Fan-Club
sind und auch dazu stehen ein Fan des Schiedsrichters zu sein.
Könnten Sie uns bitte noch in einigen Sätzen einige Tipps für
junge Schiedsrichter geben...
Wie bereits unter angedeutet glaube ich, dass ein junger
Schiedsrichter seinen Weg gehen sollte ohne dabei jemanden zu kopieren. Er
muss Geduld haben. Eine Schiedsrichterkarriere dauert lange und es dauert
lange bis ich ganz oben bin. Wie sagt doch ein tibetanisches Sprichwort: Der
Weg ist das Ziel! Als junge Schiedsrichter habt ihr Euch schon auf den Weg
begeben. Also verfolgt weiterhin Euer Ziel, ohne dabei immer auf die anderen
Kollegen zu achten. Missgunst ist kein guter Wegbegleiter.
...und noch ein paar abschließende Worte hinzufügen?
Ich wünsche allen Schiedsrichtern, dass sie ihr ganz persönliches
Ziel
erreichen und dass sie Freude zeigen, wenn sie auf dem Spielfeld sind. Wir
haben ein wunderschönes Hobby.
Ich wünsche Euch alles, alles Gute.
Mit kollegialen Grüssen aus der Schweiz
Urs Meier